hepi-book „Leben in der Arbeit – Existentielle Zugänge zur Burnout-Prävention und Gesundheitsförderung“
Alfried Längle und Ingeborg Künz widmen sich in diesem hochinteressanten Buch der Arbeit.
Im Kontrast zur in Mode gekommenen Beschäftigung mit der passenden „Work-Life-Balance“ stellen sie das „Leben in der Arbeit“ aus existentieller Sicht dar. Ausgehend von den in der modernen Existenzanalyse definierten Grundbedingungen für erfüllendes Dasein wird darauf eingegangen, wie Arbeit zur Belastung werden kann, auf welche Weise uns die Psyche vor großer Gesundheitsschädigung warnt und was wir tun können – sowohl präventiv als auch in der akuten Belastungssituation.
Längle und Künz identifizieren das Phänomen „Burnout“ auf verschiedenen Ebenen: Sie differenzieren nach Frankl die somatische Dimension, die psychische Dimension und die personale Dimension. Die Bezugnahme auf eine „personale Dimension“ lässt auf eine existentielle Ausrichtung des Buches schließen. Neben körperlicher Schwäche und Schlaflosigkeit sowie psychischen Leidenszuständen wie Lustlosigkeit und Frustration findet auch folgendes Beachtung: die Haltung sich selbst und anderen gegenüber.
In diesem Buch fällt häufig der Begriff „innere Zustimmung“. Die Autor*innen betrachten es als wesentlich für die seelische Gesundheit, ob ein Mensch mit dem, was er tut, einverstanden ist. Sie beleuchten in der Theorie, welche Voraussetzungen für dieses „innere Ja“ erforderlich sind und kommen dann zur Anwendung in der Praxis.
Die Voraussetzungen bzw. Grundbedingungen der Existenz werden den Leser*innen als Säulenmodell nähergebracht. Hier die vier Säulen im Hinblick auf die Burnoutprävention:
- Kann ich zu meiner Welt mit ihren Voraussetzungen und Bedingungen „Ja“ sagen? Habe ich genug Schutz, Raum und Halt, um das Gegebene annehmen und aushalten zu können?
- Kann ich zum eigenen Leben/den eigenen Gefühlen „Ja“ sagen? Wird der Wert der Arbeit fühlbar? Dafür brauche ich Beziehung, Zeit und Nähe, um Wertigkeit fühlen zu können.
- Kann ich zu mir selbst, zum eigenen Personsein „Ja“ sagen? Sehe ich „wirklich“ hin, erfasse ich das Wesentliche, oder blicke ich darüber hinweg? Ich brauche Beachtung, Gerechtigkeit und Wertschätzung, um zu meinem authentischen Selbst zu finden.
- Kann ich zu dem größeren Zusammenhang, in dem ich mich befinde, zu meiner Zukunft „Ja“ sagen? Ich brauche ein Betätigungsfeld, das Werte bringt und Sinnzusammenhänge ermöglicht. So wird sinnvolles Handeln erreicht.
Den vier genannten Bereichen, den sogenannten „Grundmotivationen“, werden jeweils unterschiedliche Ängste zugeordnet, die den „Existenzvollzug“ behindern können. Damit ist gemeint, dass etwa die Angst, Halt zu verlieren, die Angst vor Beziehungsverlust, die Angst, nicht beachtet zu werden oder die Angst vor der Zukunft dazu führen können, dass ich mein Dasein nicht als erfüllend erlebe. Dies wäre wiederum die beste Voraussetzung, einem Burnout vorzubeugen.
Im Buch „Leben in der Arbeit“ wird der fundierte Beitrag der Existenzanalyse zur Förderung psychosozialer Gesundheit auf die Welt der Arbeit angewandt. Es findet sich ein gut strukturierter Überblick über das Phänomen „Burnout“ und gängige Präventionskonzepte. Weiters erhalten die Leser*innen eine umfassende Beschreibung der existenzanalytischen Anthropologie im Hinblick auf die Welt der Arbeit sowie - mit der aus der Psychotherapie kommenden PEA (der Personalen Existenzanalyse) - eine Methode, um „die Sache anzupacken“. Im Zentrum steht dabei der „Dialog“, der authentische Austausch mit anderen und auch mit sich selbst, um den Weg zu innerer Zustimmung freilegen zu können, wieder „Ja“ sagen zu können zum Leben (in der Arbeit).
Das Buch ist kein schlichter „Psycho-Ratgeber“, sondern ein Beitrag zur psychosozialen Gesundheitsförderung auf höchstem Niveau. Gleichzeitig bietet die Lektüre des Buches, bestenfalls verbunden mit vertiefenden Lehrveranstaltungen und existentiell orientierter Selbsterfahrung, jede Menge praktisches Handwerkszeug für den Umgang mit Erschöpfung.
Längle, Alfried; Künz, Ingeborg; Leben in der Arbeit?: Existentielle Zugänge zu Burnout-Prävention und Gesundheitsförderung, facultas, 2016.
Das Team von hepi organisiert für den 30.5.2023 von 18:30 bis 20:00 eine Podiumsdiskussion zum Thema „Erschöpft“ mit Alfried Längle, dem Koautor dieses Buches, und Günther Weidlinger, moderiert von Christine Haiden. Die Anmeldung erfolgt für Pädagog*innen über PH-Online bzw. für externe Teilnehmer*innen über hepiph-ooe.at. Die Teilnahme ist in Präsenz oder online möglich.
Ein interessantes Seminarangebot zur Existenziellen Pädagogik finden Sie hier.